's Heftpflaster

    Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch fand am 07.09.2020 statt.

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    Im Gespräch mit Daniel Gysin - Covid-19-Lockdown im Pflegeheim

    Im März 2020 hat der Bundesrat aufgrund der Covid-19-Pandemie die aussergewöhnliche Lage für die Schweiz ausgerufen. Im Gespräch mit Antonia Trennheuser, leitende Apothekerin Zum Rüden, erzählt Daniel Gysin, Heimleiter des Alters- und Pflegeheims Ruhesitz in Beringen, aus dem Lockdown-Alltag im Pflegeheim.

    Antonia Trennheuser: Seit dem vergangenen Frühling grassiert das Coronavirus in der Schweiz, der Lockdown folgte. Wie haben Sie als Heimleiter diese Situation erlebt?

    Daniel Gysin: Als die Pandemie kam, wussten wir nicht genau, wie stark wir betroffen sein werden. Wir stellten uns die Frage, was für die Menschen im Heim passend ist. Entsprechend haben wir für alle Bewohnerinnen und Bewohner und deren Angehörige ein Blatt entwickelt. Dieses diente dem Zweck abzuklären, wer im Erkrankungsfall überhaupt eine Behandlung im Spital wünscht. Es stellte sich heraus, dass viele bei einer Ansteckung gar nicht ins Spital wollten.

    Viele Bewohnerinnen und Bewohner konnten nämlich gar nicht wirklich verstehen, wieso wir uns derart bemühten, um sie zu schützen. Sie hatten eine ganz andere Haltung zu dem Thema. Dennoch gab es auch gegenteilige Ansichten. Leute, die noch mehr Schutz forderten. Entsprechend war die Spannung relativ gross.

    Antonia Trennheuser: Diesen Spagat haben wir in der Apotheke auch erlebt. Während sich die einen in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlten, hätten sich andere mehr Schutz gewünscht. Wie seid Ihr denn mit Besuchern umgegangen?

    Daniel Gysin: Das ist ein spannendes Thema. In den Medien hört man immer wieder von Menschen, die sagten, man habe sie eingesperrt. Doch die Mehrheit der Heime hat dafür gesorgt, dass Kontakte weiterhin stattfinden konnten. Es war nicht alles verboten. Man konnte sich beispielsweise im Garten treffen. Zugegeben, die Begegnungsboxen waren teilweise etwas speziell, aber es gab sie und sie wurden auch genutzt. Aber wie bereits gesagt, die Spannung war bei uns gross.

    Antonia Trennheuser: Welche speziellen Herausforderungen brachte der Lockdown für die Bewohnerinnen und Bewohner mit sich?

    Daniel Gysin: Das war abhängig vom Angebot der Institution und der Kundschaft. Leben Menschen zum Beispiel in einer Wohnung, die zu einer Institution der Langzeitpflege gehört, und verfügen über ein Auto oder gar über ein Ferienhaus auf dem Randen, dann stellen sich andere Probleme als jenen Menschen, die mit einer demenziellen Erkrankung auf einer geschlossenen Abteilung leben. Man kann die unterschiedlichen Bewohnergruppen, die individuelle Bedürfnisse und Pflegeansprüche haben, nicht gleich behandeln. Entsprechend war es eine grosse Herausforderung, alles unter einen Hut zu bringen und allen Bedürfnissen gerecht zu werden.

    Ich denke ein weiterer wichtiger Aspekt, der in dieser Zeit zu kurz kam, war die Berührung. Denn ältere Menschen brauchen Berührung. Darüber hinaus haben Menschen mit demenziellen Entwicklungen grosse Probleme mit den Masken. Nicht zwingend bei sich selbst - sondern auch bei anderen Personen. Denn wegen den Masken können sie keine Gesichter erkennen und lesen. Da geht eine grosse und wichtige Komponente der sozialen Interaktion verloren.

    Antonia Trennheuser: Wie haben die Bewohnerinnen und Bewohner den Lockdown erlebt?

    Daniel Gysin: Ich kann nur für das Alters- und Pflegeheim Ruhesitz sprechen. Letztens war eine Journalistin hier in Beringen, die verschiedene Bewohnerinnen und Bewohner bei uns interviewte. Keine der befragten Personen empfand den Lockdown als schlimm. Die Reporterin erzählte mir anschliessend ganz erstaunt, dass sie eigentlich eine andere Reaktion erwartet habe. Aber klar gab es auch Menschen bei uns, die unter dem Lockdown litten und sich entsprechend beklagten. Doch eben nicht alle.

    Antonia Trennheuser: Denken Sie, das war generell in allen Heimen so oder konnten Sie das besonders gut regeln?

    Daniel Gysin: Das kann man so pauschal nicht sagen. Meiner Meinung nach war es wirklich sehr unterschiedlich. Das hing natürlich auch von den kantonalen Regelungen ab. Es gab Kantone, die hatten viel strengere Regeln aufgrund der hohen Fallzahlen. Im Tessin konnte ich jedes Altersheim verstehen, das seine Türen schloss. Aber nur schon, wenn Sie in ein Heim an der Zürcher Grenze gehen möchten, herrschen da strengere Auflagen. Da kommen Sie nicht einfach so rein. Es gibt bestimmte Zonen, die zu bestimmten Zeiten geöffnet sind.

    Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass die Art und Weise wie man kommunizierte, auch einen erheblichen Einfluss darauf hatte, wie die Bewohnerinnen und Bewohner mit der neuen Situation zurechtgekommen sind. 

     

    Zur Person

    Bereits als Pfleger im Spital kümmerte sich Daniel Gysin um die Menschen. Nach einem Studium in Gerontologie und Weiterbildung zum Heimleiter ist er heute seit 2002 Heimleiter des Alters- und Pflegeheims in Beringen. Seit 2015 befasst er sich zudem intensiver mit der Lebensqualität der Bewohner – auch aus wissenschaftlicher Sicht.

    www.pflegeheim-ruhesitz.ch

     

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